Digitalen Wandel gestalten – Chancen und Risiken für die deutsche Wirtschaft, Teil 2

Tags: Digitalisierung

Im ersten Beitrag dieser dreiteiligen Serie haben wir uns mit dem Wandel von einer Produktions- in eine Digitalgesellschaft befasst. In diesem Beitrag werfen wir einen Blick auf die USA.

Kann Amerika für uns ein Vorbild sein?

Warum die Sichtweise auf die Struktur „digitaler Produkte“ so wichtig ist, zeigt vielleicht ein Blick auf den amerikanischen Markt -auf den ersten Blick eine „Money Machine“ was Digitalisierung und Fintechs betrifft. Millionen werden im Silicon Valley auch in kleinste Start-ups gesteckt, da der einzige Grund der Existenz vieler Venture Capital Funds ist, in das nächste „Unicorn“ (= Marktkapitalisierung > 1 Mrd. USD) zu investieren und diese börsenreif zu machen.

Wie sieht es ausserhalb des Silicon Valley’s aus?

Aber wie sieht es außerhalb des Valley’s aus, welches gerade mal für 3% der US-amerikanischen Wirtschaftskraft steht? Die US-Wirtschaft stagniert, die Produktivität ist in den letzten drei Quartalen kontinuierlich gesunken. Parallel dazu hat eine Studie der Kauffman Foundation [1] ermittelt, dass sich die Anzahl der Start-ups in den USA seit 30 Jahren nahezu halbiert hat, der Anteil der jüngeren Gründer sich sogar relativ verringert hat. Das deutet auf einen signifikanten Rückgang der Innovationskraft hin. Erste Marktbeobachter deuten dies als Ausdruck des sich seit Jahren geänderten Erziehungsbildes in den USA, welches sich immer mehr von „Young man, go west!“ in eine von Angst und einer steigenden Kontrollwut gekennzeichnete Kindererziehung verändert hat. Kinder dürfen nicht mehr unbeaufsichtigt selber Grenzen testen, sondern werden aufgrund des steigenden Schutzbedürfnisses ihrer Eltern in ihrer Kreativität derart erstickt, dass sie später nicht mehr Freiräume testen, sondern sich der Konsum­gesellschaft ergeben und somit der digitalen Manipulation schutzlos preis­gegeben sind. [2]

Verlust der Selbstbestimmung des Individuums

Betrachtet man die meisten Start-ups im Silicon Valley, so entwickeln sie gerade auf diese Masse hin wunderbare Modelle, mit denen der Konsument gesteuert wird und auch die kleinsten Informationen seiner Wünsche schnell und ohne zu denken preisgibt. Allein eine App mit der Funktionalität von Tinder und der Auswertungsmöglichkeit einer KI-Logik von Google könnte in kürzester Zeit detaillierte Persönlichkeitsprofile erstellen und vermarkten, was der eigentliche Kern solcher Geschäftsmodelle ist. Die Selbstbestimmung des Individuums ist aber bei der Nutzung solcher Systeme schon lange unter die Räder gekommen [3] und man könnte dieses als Reaktion des Kapitalismus [4] auf den Trend hin zum „selbstbestimmten Konsumenten“ interpretieren.

Das ungebremste Zulassen solcher Geschäftsmodelle (d.h. ohne eine Diskussion über Datenschutz und Privatsphäre, denn das Netz vergisst ja bekanntlich nichts) ist bislang eine valide Strategie. Wenn wir sie weiter unreguliert zulassen, geben wir uns auch damit zufrieden, dass die größten globalen Machtgebilde der Zukunft „Apple, Alphabet (Google), Microsoft, Amazon und Uber“ heißen werden.

Das Fazit kann also nur lauten: Wir können von Amerika lernen, aber ein Vorbild sollte es nicht sein.

(Im nächsten Blog-Post schauen wir die Chancen Deutschlands an und wie es diese nutzen sollte)

Reaktionen, Kommentare und Anregungen zu diesem Artikel gerne unter zenke@strategy-and-finance.de.

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[1] Kauffmann Studie zu Startup Aktivitäten

[2] Das aktuell interessanteste und intelligenteste Aufbegehren gegen dieses System ist sicherlich der Film „Captain Fantastic – einmal Wildnis und zurück“ aus dem Jahr 2016

[3] siehe die diesbezüglichen Erläuterungen im ersten Teil des Artikel

[4] An dieser Stelle muss der Hinweis erfolgen, dass der Autor eine wichtige Unterscheidung zwischen Kapitalismus und „Marktmechanismen unter Wettbewerb“ macht.


Autor

Harald Zenke, Inhaber Strategy & Finance Advisory
Strategy & Finance Advisory ist eine inhabergeführte Beratungsgesellschaft, die sich als Entwickler sowie Umsetzungsbegleiter von Produkt- und Prozessinnovationen sowie neuartigen Geschäftsmodellen im Finanzdienstleistungssektor versteht. Harald Zenke verfügt über mehr als 15 Jahre Erfahrung im Bereich der erneuerbaren Energien und Projektfinanzierung, u.a. als CEO der KfW IPEX-Bank und EVP Corporate Finance der LBBW. www.strategy-and-finance.de

Autor:

Harald Zenke

Inhaber Strategy & Finance Advisory

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