Das Mieterstromgesetz – Chancen und Risiken für Mieter und Vermieter

Tags: EEG Juridique

Die Versorgung mit selbst erzeugtem Strom aus erneuerbaren Energien stößt bei Mietern auf großes Interesse; einer Umfrage zufolge können sich 66 Prozent der befragen Mieter vorstellen, sogenannten Mieterstrom zu beziehen. Allerdings rechnen sich Mieterstrom-Modelle mit Photovoltaik („PV“) -Anlagen unter den geltenden Bestimmungen häufig nicht. Hinzu kommt, dass nicht genügend PV-Anlagen vorhanden sind: Deutschland liegt das 3. Jahr in Folge beim Ausbau der Stromerzeugung aus Photovoltaik hinter dem jährlichen Ausbaupfad von 2.500 MW zurück. Mieterstrom kann nach Meinung der Bundesregierung zum einen Impulse für einen weiteren Zubau von PV-Anlagen setzen und zum anderen Mieter und Vermieter konkret an der Energiewende beteiligen.

Aus vorgenannten Gründen möchte die Bundesregierung Mieterstrom aus PV-Anlagen fördern. Das Potenzial für Mieterstrom umfasst laut einem von dem BMWi in Auftrag gegebenen Gutachten bis zu 3,8 Mio. Wohnungen. Der Deutsche Bundestag hat am 29. Juni 2017 in zweiter und dritter Lesung das „Gesetz zur Förderung von Mieterstrom und zur Änderung weiterer Vorschriften des Erneuerbare-Energien-Gesetzes“ („Mieterstromgesetz“) verabschiedet. Das Mieterstromgesetz ist ein Mantelgesetz, das Änderungen des EEG 2017, des EnWG, des KWKG sowie der Marktstammdatenregisterverordnung vorsieht.

Was ist Mieterstrom?

Es existiert keine gesetzliche Definition dessen, was unter dem Begriff „Mieterstrom“ zu verstehen ist. Gemeinhin wird als Mieterstrom der Strom bezeichnet, der in einer Solaranlage auf dem Dach eines Wohngebäudes (oder in einem Blockheizkraftwerk1) erzeugt und ohne Nutzung des Netzes der allgemeinen Versorgung an Letztverbraucher in diesem Wohngebäude (insbesondere Mieter) geliefert und im Gebäude verbraucht wird. Für diese Stromlieferungen entfallen daher zwar einige Strompreisbestandteile, wie die Netzentgelte, die netzseitigen Umlagen, die Stromsteuer und die Konzessionsabgabe. Sie unterliegen jedoch in vollem Umfang dem größten Kostentreiber beim Strompreis, der EEG-Umlage, die von dem betreffenden Letztverbraucher auf die bezogene Strommenge zu entrichten ist. Von den Mietern nicht verbrauchte Strommengen werden in das Netz der allgemeinen Versorgung eingespeist oder zwischengespeichert. Um die vollumfängliche Versorgung der Mieter zu gewährleisten, werden in der Regel Reststrommengen am Strommarkt beschafft.

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Eine direkte Förderung von Mieterstrom erfolgt nach derzeit geltendem Recht nicht. Denn eine finanzielle Förderung nach dem EEG 2017 setzt eine Einspeisung des erzeugten PV-Stroms in das Netz der allgemeinen Versorgung voraus, die bei Mieterstrom-Modellen gerade nicht erfolgt. Zwar enthält § 95 Nr. 2 EEG 2017 zur Förderung von Mieterstrom eine Verordnungsermächtigung der Bundesregierung, die eine Verringerung der EEG-Umlage vorsieht. Die Bundesregierung ist jedoch der Ansicht, eine direkte Förderung von Mieterstrom in Form einer überschaubaren Vergütung sei einer indirekten Förderung, z. B. über eine Reduktion der EEG-Umlage, vorzuziehen. Denn dadurch werde der Strom nicht nur im Fall der Einspeisung in das Netz der allgemeinen Versorgung, sondern auch dann gefördert, wenn er ohne Nutzung des öffentlichen Netzes direkt an die Mieter geliefert wird. Die EEG-Umlagepflicht für diese Stromlieferung bleibt in voller Höhe erhalten.

Gestaltung der Förderung nach dem Mieterstromgesetz

Das Mieterstromgesetz sieht die Einführung des sog. „Mieterstromzuschlags“ als eigene Vergütungskategorie neben der Einspeisevergütung und der Marktprämie vor. Der Vermieter als Anlagenbetreiber erhält den Mieterstromzuschlag für Strom aus PV-Anlagen mit einer installierten Leistung von insgesamt bis zu 100 Kilowatt, die auf, an oder in einem Wohngebäude installiert sind, soweit er innerhalb dieses Gebäudes an einen Letztverbraucher geliefert und im Gebäude verbraucht worden ist. Ein Wohngebäude in diesem Sinn liegt vor, wenn mindestens 40 % des Gebäudes dem Wohnen dient (§ 21 Abs. 3 EEG 2017 neu).

Die Höhe des Anspruchs auf den Mieterstromzuschlag wird – entsprechend der Systematik der Einspeisevergütung – aus den anzulegenden Werten nach § 48 Abs. 2 und § 49 EEG 2017 berechnet, wobei von diesen anzulegenden Werten 8,5 ct/kWh abzuziehen sind. Grund für diesen Abzug ist, dass der Vermieter im Rahmen eines Mieterstom-Modells nicht nur den Mieterstromzuschlag, sondern auch eine Vergütung aus dem Verkauf des Stroms an die Mieter erhält, ohne dass dafür Netzentgelte, netzseitige Umlagen, Stromsteuer oder die Konzessionsabgabe anfallen. Die Bundesregierung ist der Ansicht, ein einheitlicher Abschlag von 8,5 ct/kWh auf die Vergütungssätze des § 48 Abs. 2 EEG 2017 mache Mieterstrom-Projekte wirtschaftlich und verhindere zugleich Überrenditen.

Durch den Verweis von § 23b EEG 2017 auch auf § 49 EEG 2017 findet die Regelung des sog. „atmenden Deckels“ für Strom aus PV-Anlagen auch auf den Mieterstromzuschlag Anwendung. Dies bedeutet, der Vergütungssatz sinkt kontinuierlich ab, bei stärkerem Zubau schneller, bei schwächerem Zubau langsamer. Für 2017 ergeben sich damit folgende Vergütungssätze:

Nach Auffassung der Bundesregierung heben die vorgenannten Vergütungssätze die Projektrenditen in vielen Mieterstrom-Modellen auf ein Niveau von mindestens 5 bis 7 Prozent pro Jahr. Selbstverständlich ist die Rendite im Wesentlichen von der Höhe des Strompreises abhängig, den die Mieter an den Vermieter zahlen.

Für den restlichen Strom, der nicht von den Mietern abgenommen, sondern in das Netz der allgemeinen Versorgung eingespeist wird, erhält der Vermieter wie bisher die Einspeisevergütung nach dem EEG. Da die übrigen Strompreis-Komponenten entfallen, profitieren letztlich Mieter und Vermieter von einer Mieterstrom-Lösung.

Begrenzung des Förderumfangs

Um zu verhindern, dass veränderte Rahmenbedingungen zu unvorhersehbaren Entwicklungen führen und dadurch möglicherweise zu höheren Kosten für nicht privilegierte Letztverbraucher, wird der jährliche Ausbau im Bereich Mieterstrom auf 500 MW pro Jahr beschränkt. Um die notwendige Investitionssicherheit bei Mieterstrom-Projekten zu erhalten und den Deckel administrativ handhabbar zu machen, sieht das Gesetz eine Übergangszeit von 2 Monaten vor: Sobald die 500 MW-Grenze in den Meldungen für Mieterstrom im Marktstammdatenregister erreicht ist, wird dies auf der Internetseite der Bundesnetzagentur veröffentlicht. Der Förderstopp gilt dann ab dem 2. auf die Veröffentlichung folgenden Kalendermonat und in der Regel bis zum Ende des jeweiligen Jahres. Anlagen, die sich danach melden, werden im nächsten Jahr vorrangig berücksichtigt.

Der Mieterstromzuschlag kann gem. § 25 EEG 2017 ab dem Zeitpunkt der Inbetriebnahme der PV-Anlage maximal 20 Jahre in Anspruch genommen werden. Er wird nur für neue PV-Anlagen gewährt, also für solche, die nach dem Inkrafttreten des Mieterstromgesetzes in Betrieb genommen werden (§ 100 Abs. 7 EEG 2017 neu).

Freie Wahl des Stromanbieters

Um sicherzustellen, dass die Vertrags- und die Lieferantenwahlfreiheit des Mieters gewährleistet sind, müssen Mieterstromvertrag und Wohnraummietvertrag grundsätzlich getrennt und unabhängig voneinander abgeschlossen werden. Der Mieterstromvertrag muss zudem auch die Belieferung mit Reststrom umfassen. Dies entbindet den Mieter davon, sich einen Stromlieferanten für den Reststrombezug suchen zu müssen. Der Mieterstromvertrag muss also den gesamten Strombedarf des Letztverbrauchers sicherstellen. Wird der Mietvertrag beendet, endet automatisch auch der Mieterstromvertrag. Dabei wird an die Rückgabe der Wohnung angeknüpft.

Schließlich sieht § 42a Abs. 3 EnWG neu eine Höchstlaufzeit für Mieterstromverträge von einem Jahr vor. Der Mieterstromvertrag darf sich nur um ein Jahr stillschweigend verlängern und eine Kündigungsfrist von höchstens drei Monaten vorsehen. Davon abweichende vertragliche Regelungen sind unwirksam. Unwirksam sind auch Regelungen, die das Kündigungsrecht während der Dauer des Mietverhältnisses ausschließen oder beschränken. Denn der Mieter soll frei sein den Mieterstromvertrag zu kündigen, auch wenn er den Mietvertrag nicht kündigen möchte. Zudem soll durch die Laufzeitbestimmung ein Anreiz für den Vermieter geschaffen werden, wettbewerbsfähige Preise anzubieten.

Zum Schutz der Mieter gilt zudem ein Höchstpreis von 90 Prozent des örtlichen Grundversorgungstarifs (§ 42a Abs. 4 EnWG neu). Diese Preisobergrenze soll verhindern, dass der Mieter, der sich bei der Miete von Wohnraum einem strukturellen Verhandlungsungleichgewicht gegenüber dem Vermieter ausgesetzt sieht, wirtschaftlich schlechter gestellt wird, als wenn er den Strom über einen Grundversorgungstarif bezieht.

Pflichten des Vermieters

Die Lieferung von Mieterstrom ist eine Energielieferung an Letztverbraucher. § 42a Abs. 1 EnWG neu stellt daher klar, dass alle Vorgaben im EnWG auch für die Belieferung von Letztverbrauchern mit Mieterstrom gelten, soweit § 42a EnWG neu keine abweichende Regelung vorsieht.

Ausblick

Nachdem der Deutsche Bundestag das Mieterstromgesetz verabschiedet hat, muss nun der Bundesrat entscheiden. Das Gesetz soll im Herbst 2017 in Kraft treten.

Zu beachten ist, dass der Mieterstromzuschlag nicht gewährt werden darf, bevor die beihilferechtliche Genehmigung der EU-Kommission vorliegt. Wann dies der Fall sein wird, lässt sich derzeit noch nicht sagen.

Es bleibt abzuwarten, ob die Einführung eines Mieterstromzuschlags verbunden mit dem durch das Mieterstromgesetz geschaffenen regulatorischen Rahmen die Verbreitung von Mieterstrom-Modellen sowie den PV-Ausbau tatsächlich steigern wird.

An dieser Stelle sei zudem auf einen weiteren Artikel des Mieterstromgesetzes betreffend die Ausschreibung von Windenergieanlagen hingewiesen, der zeitlich befristete Änderungen vorsieht. Im Gesetz definierte Bürgerenergiegesellschaften müssen bei der Teilnahme an einer Ausschreibung nach geltendem EEG 2017 noch keine BImSchG-Genehmigung für ihre geplante Windkraftanlage vorweisen. Diese Regelung soll die Anbietervielfalt erhalten, hat allerdings bei der ersten Ausschreibungsrunde im Mai dieses Jahres zusammen mit anderen Besserstellungen dazu geführt, dass fast ausschließlich Bürgerenergiegesellschaften zum Zuge kamen. Der Bundestag hat daher beschlossen, die Regelung bei den ersten beiden Ausschreibungsrunden in 2018 auszusetzen, um die Wirkung zu testen. Mit dieser Änderung werden Hinweise aus der Windkraftbranche und aus dem Bundesrat aufgenommen.

1 Im Anwendungsbereich des KWKG, dem die Vergütung von Strom aus Blockheizkraftwerken unterfällt, wird bereits nach geltendem Recht der Kraft-Wärme-Kopplungszuschlag auch ohne Einspeisung des erzeugten Stroms in das Netz der allgemeinen Versorgung gewährt.

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Implikationen des EEG 2017 auf die Finanzierung von Erneuerbare-Energien-Projekten


Autor

Dr. Carmen Schneider, DWF Germany Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

Dr. Carmen Schneider ist Partnerin und Leiterin Energierecht bei DWF Germany Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Sie berät in allen Bereichen des Energierechts, mit einem Schwerpunkt auf der Projektentwicklung, der deutschen und europäischen Regulierung des Energiesektors sowie der energierechtlichen Begleitung von M&A-Transaktionen.

DWF LLP ist eine britische Full-Service Wirtschaftskanzlei mit Büros in Europa, dem Mittleren Osten und Südostasien mit einer Spezialisierung auf dem Energiesektor.

www.dwf.law

Autor:

Dr. Carmen Schneider

DWF Germany Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

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