Corporate PPAs: Vermarktungsoption für grünen Strom im Lichte der Corona-Krise

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Als Vermarktungsoption nicht nur für Post-EEG-Anlagen, sondern auch als Finanzierungsmodell für Neuanlagen räumt die Mehrheit der Energiemarktakteure Corporate Power Purchase Agreements (Corporate PPAs) einen (sehr) wichtigen Stellenwert im deutschen Energiemarkt der Zukunft ein. Auch die Abnehmerseite sieht in Corporate PPAs mehrheitlich ein Geschäftsmodell mit Potenzial.1 Mit Blick auf die Corona-Krise stellt sich jedoch die Frage, ob deren Auswirkungen die wirtschaftliche Attraktivität von Corporate PPAs im deutschen Strommarkt nachhaltig beeinflussen werden.

Wie wird die Corona-Krise die Attraktivität von PPA beeinflussen?

Corporate PPAs sind langfristige Stromlieferverträge auf Basis erneuerbarer Energien, die zwischen einem Erzeuger und einem Unternehmen (dem „Corporate“) auf der Abnehmerseite geschlossen werden. Häufig sind dies industrielle Abnehmer mit einem hohen Stromverbrauch. Vor dem Hintergrund des Auslaufens der gesetzlichen Vergütung für Altanlagen ab 2021 sowie mit Blick auf die zentralen Ziele der Energiewende (1.) von 65 Prozent erneuerbaren Energien im deutschen Strommarkt bis 2030 und (2.) der CO2-Neutralität in der EU bis 2050 können Corporate PPAs einen wichtigen Beitrag leisten und zusätzliche Investitionen für die Energiewende ermöglichen.

Im europäischen Vergleich stehen PPAs in Deutschland noch am Anfang. Für die nächsten Jahre deutet jedoch einiges darauf hin, dass besonders im Windbereich zunehmend Corporate PPAs abgeschlossen werden. Erzeuger wie Abnehmer eint, dass sie sich durch den Abschluss eines Corporate PPA langfristig gegen Preisschwankungen absichern möchten.

Auswirkungen der Corona-Krise auf Corporate PPA

Genau hier stellt sich nunmehr die Frage, ob eine solche Absicherung aufgrund der Corona-Pandemie respektive deren Auswirkungen in nächster Zeit überhaupt möglich ist. Anders ausgedrückt: Was bedeutet die mit der Krise verbundene Unsicherheit auch im Energiesektor für die Entwicklung von Corporate PPAs in Deutschland?

Schon jetzt schlägt die Corona-Pandemie spürbar auf die Großhandelspreise durch und äußert sich in einer extremen Preisvolatilität. Fraglich ist, ob sich das Strompreisniveau auf lange Sicht wieder dort einpendeln wird, wo es vor COVID-19 war.2 Festzuhalten ist zunächst, dass das grundsätzliche Interesse am Abschluss langfristiger Corporate PPAs sowohl auf Erzeuger- als auch Abnehmerseite ungebrochen sein dürfte.

Ungeachtet der Corona-Krise herrscht mit Blick auf Corporate PPAs ohnehin eine gewisse Unsicherheit: Fehlende Erfahrungen besonders in Bezug auf das komplexe Vertragswerk, die Risikoverteilung vor dem Hintergrund der langen Laufzeit sowie Ungewissheit über den künftigen regulatorischen Rahmen werden diesbezüglich genannt. Verschärft werden besagte Unsicherheiten möglicherweise durch die Corona-Krise, jedoch lassen sie sich durch eine entsprechende Strukturierung des Corporate PPA grundsätzlich deutlich abmildern.

Virtuelle Bestands-PPA

Sogenannte virtuelle PPAs zeichnen sich dadurch aus, dass keine physische oder bilanzielle Stromlieferung zwischen Erzeuger und Abnehmer erfolgt. Der Erzeuger veräußert den erzeugten Strom an der Börse, der Abnehmer deckt sich dort oder über einen Stromlieferanten mit elektrischer Energie ein. Jedoch haben die Parteien einen sog. Strike Price vereinbart, der Ausgleichszahlungen nach sich zieht. Ist der Marktpreis für Strom niedriger als der im Corporate PPA vereinbarte Strike Price, ist der Abnehmer verpflichtet, an den Erzeuger die Differenz zu zahlen. Übersteigt der Marktpreis hingegen den Strike Price, trifft die Zahlungspflicht den Erzeuger. Das bedeutet, dass das langfristige Marktpreisrisiko bei dem Abnehmer liegt, während der Erzeuger durch den stabilen Strike Price seinen Cashflow sichert.

Mit Blick auf die merklich gesunkenen Stromgroßhandelspreise muss ein Abnehmer unter einem laufenden virtuellen Corporate PPA derzeit wohl Zahlungen an den Erzeuger leisten. Andererseits dürften – gerade bei stromkostenintensiven Abnehmern – die Verbräuche aktuell deutlich gesunken sein, da Fertigungsstätten entweder ganz geschlossen werden oder zumindest die Produktionskapazitäten erheblich zurückgefahren. Für den Abnehmer dürfte sich die Kostenlast daher bereits aufgrund des verminderten Verbrauchs relativieren. Hinzu kommt, dass ein guter Corporate PPA Stellschrauben fernab der Höheren Gewalt vorsieht, die den Vertragsparteien in gewissem, für beide Seiten zumutbarem Umfang eine Nachjustierung der vertraglichen Parameter ermöglicht. Genau darauf sollten beide Vertragsparteien sowie ggf. involvierte Banken im Rahmen der Verhandlung und des Abschlusses neuer Corporate PPA denn auch ein besonderes Augenmerk legen.

Neue PPA – flexible Ausgestaltung durch vertragliche Strukturierung

Ungeachtet der Frage, ob die Parteien einen physischen oder einen virtuellen Corporate PPA abzuschließen beabsichtigen, sollte die Ausgestaltung folgender Punkte ein besonderes Augenmerk erfahren, um Entwicklungen wie denen, die im Energiemarkt (vermutlich) durch die Corona-Krise ausgelöst werden, begegnen zu können:

1. Herzstück Preisblatt

Das Herzstück eines jeden Corporate PPA ist das Preisblatt: Gerade bei langfristigen Lieferverträgen geht jede Vertragspartei letztlich eine Wette auf die Entwicklung des Strompreises ein. Jedoch dürfte es noch nie so schwer gewesen sein wie heute, eben diese Entwicklung vorherzusehen. Die vertragliche Ausgestaltung bewegt sich dabei im Spannungsfeld zwischen der für beide Seiten angestrebten wirtschaftlichen Attraktivität einerseits und dem Interesse jeder Partei an einer langfristigen Preisabsicherung.

Das Preisblatt sollte rechtmäßige Preisanpassungsmechanismen vorsehen, ggf. einigen sich die Parteien ob der gegebenen Marktsituation nicht auf einen Festpreis pro kWh/MWh, sondern auf einen Preiskorridor oder gar eine gemischte Preisformel, die je nach Jahreszeit und Primärenergieträger zwischen Festpreis (ggf. mit Ab- oder Aufschlägen) und Preiskorridor respektive Mindest- oder Höchstpreis(en) wechselt. Möglich ist auch die Vereinbarung von Indexierungen, floors oder caps. Wohlüberlegt sollten in diesem Zusammenhang auch die vertraglichen Lösungsmöglichkeiten jeder Partei von dem Vertrag sein. Es handelt sich um einen Langfristvertrag, von dem sich grundsätzlich keine Partei „ohne Weiteres“ vorzeitig lösen können soll.

2. Wirtschaftlichkeitsklauseln und Change-in-Law-Klauseln

Und schließlich gibt es Wirtschaftlichkeitsklauseln sowie die sog. Change-in-Law-Klauseln, die den Parteien in Langfristlieferverträgen Handlungsmöglichkeiten für solche Fälle an die Hand geben, in denen sich die wirtschaftlichen und/oder rechtlichen Rahmenbedingungen, auf denen der Corporate PPA beruht, dergestalt ändern, dass zumindest einer Partei ein Festhalten an selbigem nicht (mehr) zugemutet werden kann. Solche Klauseln sehen zumeist die Vertragsanpassung als erste Eskalationsstufe vor und erlauben lediglich als ultima ratio eine Loslösung von selbigem.

Fehlt es an einer vertraglichen Regelung, kommt eine Vertragsanpassung oder gar -beendigung nach § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage) oder § 314 BGB (Kündigung von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem Grund) in Betracht. Ein Rekurrieren auf die gesetzlichen Bestimmungen ist jedoch mit erheblichem Streitpotenzial verbunden und daher nicht zu empfehlen. Eine entsprechende vertragliche Regelung ermöglicht es den Parteien, eine individuelle und damit konkrete Regelung zu vereinbaren und so das Konfliktpotenzial zu minimieren.

Nicht zuletzt haben sie den Klauselkonflikt zu berücksichtigen, über den schon der BGH zu befinden hatte: Die Parteien haben es in der Hand, den Corporate PPA so zu gestalten, dass entweder die Festpreisregelung (sofern eine solche besteht) oder die Wirtschaftlichkeitsklausel Vorrang hat. Schließlich ist zu bedenken, dass auch Wirtschaftlichkeitsklauseln und Change-in-Law-Klauseln im Grundsatz der Überprüfung nach den §§ 305 ff. BGB standhalten müssen, sofern es sich bei dem Corporate PPA um AGB handelt.

Corporate PPAs trotz Corona-Krise als tragfähiges Geschäftsmodell

Nach alledem sollten die – derzeit absehbaren – Auswirkungen der Corona-Krise auf den Strompreis im Grundsatz weder Erzeuger, noch Abnehmer künftig vom Abschluss langfristiger Corporate PPAs abhalten. Gerade strategisch handelnde Akteure könnten hiervon profitieren. Hemmnisse im Markt (Stichwort: Strompreiskompensation) bestanden bereits vor COVID-19. Sie können – ebenso wie (potenzielle) Auswirkungen der Corona-Krise – durch eine umsichtige Vertragsgestaltung minimiert werden. Hierbei sind wir Ihnen gerne behilflich!

Autorin

Dr. Carmen Schneider von Chatham Partners
Dr. Carmen Schneider ist Partnerin bei Chatham Partners LLP. Sie berät im Energiewirtschaftsrecht mit einem Fokus auf Projektentwicklungen, dem Energievertrags- und Regulierungsrecht sowie dem Energiehandel. Zudem begleitet Dr. Carmen Schneider M&A-Transaktionen und Finanzierungsprojekte im Energiesektor.

Quellen:

1 Dies ist eines der Ergebnisse des dena-MARKTMONITOR 2030 – Corporate Green PPAs: Umfrage zu Perspektiven nachfragegetriebener Stromlieferverträge bis 2030 (Juli 2019), abrufbar unter: https://www.dena.de/fileadmin/dena/Publikationen/PDFs/2019/dena-MARKTMONITOR_2030_Corporate_Green_PPAs.PDF (Abruf: 08.04.2020).
2 Hierzu zuletzt Energy Brainpool, Energy BrainBlog vom 8. April 2020, abrufbar unter: https://blog.energybrainpool.com/corona-pandemie-und-energiemarkt-eine-quantitative-abschaetzung-ueber-mittelfristige-entwicklungen/.

Autor:

Dr. Carmen Schneider, Chatham Partners LLP

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