Photovoltaik in Städten – 9 Schritte zum Mieterstrom

Tags: SolarPV

Dieser Artikel ist in voller Länge im pv magazine – November 2016 erschienen.

Während sich grössere Wohnungsbaugesellschaften vielfach schon professionell mit Energiethemen beschäftigen und meist auch über Personal mit technischem und kaufmännischem Know-how verfügen, sind kleinere Wohnungsbaugesellschaften und Privateigentümer von Mehrfamilienhäusern oft schon froh, wenn die Nebenkostenabrechnung reibungslos funktioniert und der Hausmeister die Wartung und den Betrieb der Heizungen im Griff hat. Den Ausbau von Mieterstrommodellen zu stemmen, trauen sich die meisten nicht zu.

Was ist Mieterstrom?

Mieterstrom kurz gefasst Photovoltaik-Mieterstrom funktioniert in der Regel so, dass auf dem Dach des Mehrfamilienhauses eine Solaranlage Strom erzeugt, der zu einem grossen Teil im Gebäude selbst verbraucht wird. Das wird Direktverbrauch genannt und entspricht dem Eigenverbrauch in Einfamilienhäusern, ist aber komplizierter. Denn anders als im Eigenheim sind die Mieter nicht Betreiber der Photovoltaikanlage. Das Stichwort ist „Personenidentität“. Wenn es eine Personenidentität von Betreiber der Solaranlage und Stromverbraucher gibt, muss man nur 40 Prozent oder keine EEG-Umlage abführen. Bei kleinen Anlagen, wie sie auf dem Dach eines Eigenheimes üblich sind, sogar gar keine. Ein Vorteil allerdings bleibt, auch wenn im Mehrfamilienhaus keine Personenidentität herrscht. Da der Solarstrom nicht durch ein öffentliches Netz fliesst, entfallen alle sonstigen Abgaben wie Netzentgelte und die Stromsteuer. Deswegen rechnet sich die Direktstromnutzung trotzdem im Vergleich zum herkömmlichen Netzstrom, wenn auch nur knapp. Da der Solarstrom auch mit Batteriespeicher meist nicht ausreicht, den gesamten Strombedarf der teilnehmenden Mieter zu decken, muss der Anbieter von Mieterstrom den zur Vollversorgung benötigten Reststrom für die Mieter aus dem Netz besorgen. Die Stromlieferungen aus verschiedenen Quellen müssen ausserdem gemessen und abgerechnet werden. Diese Aufgaben kann der Betreiber der Solaranlage entweder selbst übernehmen oder er beauftragt Dienstleister.

Mieterstrom hat ein gutes Image und ist leichter machbar, als viele denken. Davon können sowohl Eigentümer wie auch Projektentwickler profitieren. Sie haben gute Chancen, eine grosse Kundengruppe zu erreichen und mittelgrosse Photovoltaikanlagen zu verkaufen, wenn sie potenzielle Auftraggeber zu Mieterstrom-Themen beraten können. Dieser Leitfaden in 9 Schritten soll Projektentwicklern und ihren potenziellen Auftraggebern, den Hausbesitzern, eine erste Orientierung zu den Möglichkeiten in diesem Segment bieten.

1. Die Motivation klären

Mieterstrom ermöglicht es Mietern, sich aktiv an der Energiewende zu beteiligen. Er erlaubt es, Photovoltaikanlagen genau dort zu errichten, wo die allermeisten Bewohner in Städten leben, in Mehrfamilienhäusern, und dort Strom zu erzeugen. Eigentlich etwas sehr Naheliegendes. Daher kann man mit Sicherheit davon ausgehen, dass Mieterstrom auch dann noch ein funktionierendes Geschäftsmodell bleibt, wenn die Einspeisevergütung ganz ausläuft oder so weit sinkt, dass diese Vergütung nicht mehr für den rentablen Betrieb ausreicht.

Damit Sie einen Eindruck davon erhalten, wie sich die Wirtschaftlichkeit eines Projektes im Mieterstrommodell verhält und auf welche Parameter besonders zu achten ist, haben wir einen beispielhaften Fall in greenmatch erfasst. Dieses Demo-Projekt können Sie über unseren neuen Projektvorlagen-Marktplatz in Ihre Projektliste kopieren.

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2. Ansprechpartner suchen

Gute Ansprechpartner können Projektentwickler von Photovoltaikanlagen, regionale Stromversorger oder überregional tätige Anbieter von Mieterstrommodellen sein. Für Projektentwickler gilt: Sie sind der erste Ansprechpartner, wenn sich Immobilieneigentümer informieren, ob sie Photovoltaikanlagen auf ihren Objekten errichten können. Die Realisierungschance für Entwickler steigt, wenn diese sich nicht nur auskennen, welche Objekte sich besonders gut eignen, sondern auch wissen, welche Anbieter von Mieterstrommodellen am ehesten für welchen Kunden infrage kommen.

3. Entscheiden über verschiedene Betreibermodelle

Hausbesitzer müssen die Rolle klären, die sie beim Mieterstrom spielen möchten, welche Aufgaben sie selber erledigen und welche sie an Dienstleister übertragen wollen. Erfahrungsgemäss bevorzugen die meisten Rundum-sorglos-Pakete.

4. Entscheiden über verschiedene Tarifmodelle

Es gibt zwei verschiedene Tarifmodelle, die man Mietern anbieten kann: Entweder der Mieter zahlt wie bisher einen festen Preis pro Kilowattstunde, der im Mieterstromtarif ein bis zwei Cent günstiger als ein ortsüblicher Tarif ist, da der Mieter am Gewinn der Mieterstromanlage beteiligt wird. Oder der Mieter zahlt variable Preise pro Kilowattstunde, je nachdem ob der Strom aus der Photovoltaikanlage oder aus dem Netz kommt.

5. Entscheiden über das Messkonzept

In der Vergangenheit gab es zwei Möglichkeiten, die Menge des Strombezugs der Mieter zu bestimmen:

  • Summenzählermodell: Das Messkonzept beruht auf digitalen Summenzählern am Hausanschluss und am Solargenerator und analogen Zählern bei den Mietern.
  • Smart-Meter-Modell: Das Messmodell nutzt für alle Mieter im Haus und an der Solaranlage digitale Smart Meter, die alle 15 Minuten saldiert messen.

In der Zukunft sind die vereinfachten Messkonzepte bedingt durch das frisch verabschiedete Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende nicht mehr zulässig. Es müssen grundsätzlich Smart Meter eingesetzt werden. Da es aber noch gar keine gesetzlich zertifizierten Geräte gibt, verzögert sich der Roll- out. Es empfiehlt sich daher, für den Einbau, Betrieb und die Abrechnung der Smart-Meter-Daten auf erfahrene Dienstleister zu setzen.

6. Mit Mietern sprechen

Abgesehen davon, dass man als Vermieter den Mietern bei der Auswahl des Stromanbieters ohnehin keine Vorschriften machen darf, ist es klug, die Mieter frühzeitig über das geplante Projekt zu informieren und zu versuchen, sie dafür zu begeistern. Je früher man für das Mieterstrommodell wirbt, desto einfacher ist das. Je mehr Mieter mitmachen, umso rentabler ist es.

7. Gesamtenergiebedarf des Hauses betrachten

Wenn man über die Stromversorgung des Hauses nachdenkt, kann man auch einen Blick auf die Wärmeversorgung werfen und an die zukünftige Entwicklung der Elektromobilität denken. Schliesslich werden die Bewohner in Zukunft unter Umständen Elektroautos oder E-Scooter mit Hausstrom vom Dach laden und abrechnen können, wofür digitale Messsysteme sehr gut geeignet sind.

8. Fördermöglichkeiten klären

In einigen Bundesländern gibt es bereits Förderungen, die man bei Umsetzung von Mieterstrom in Anspruch nehmen kann. So unterstützt Hessen die Umstellung auf intelligente Messsysteme in Häusern ab 6 bis 100 Wohneinheiten. Dabei können bis zu 500 Euro pro Wohneinheit bezuschusst werden. Auch in anderen Bundesländern sind vergleichbare Förderprogramme geplant oder bereits umgesetzt.

9. Risiken abwägen und entscheiden

Wenn die Gesamtkosten für die Investition und alle Betriebskosten für die erforderlichen Dienstleister bekannt sind, stellt sich die Frage, wie gross die spezifischen Risiken eines Mieterstrommodells sind. Bezüglich der Photovoltaikanlage sind die Risiken sehr gut quantifizierbar. Trotz über einer Million Photovoltaikanlagen in Deutschland gibt es bei den meisten keine Probleme. Das Vermarktungsrisiko des Stromprodukts Mieterstrom ist ebenfalls sehr klein. Es bleibt immer die Rückfalloption, den Strom einfach einzuspeisen. Auch damit lässt sich die Anlage refinanzieren. Es besteht dann lediglich ein kleines Kostenrisiko da man sich ohne Mieterstrom die Investition in das Messsystem hätte sparen können. Wenn man eine Förderung bekommen hat, wird einem genau dieses Risiko abgenommen.

Welches sind die entscheidenden Faktoren damit ein Mieterstrom-Projekt wirtschaftlich ist?

Ziehen auch Sie Projekte im Mieterstrommodell in Erwägung? Ob ein solches Projekt wirtschaftlich ist hängt in erster Linie von der Mitmachquote der Mieter und der Direktverbrauchsquote ab. Um den Einfluss dieser Faktoren auf die Rentabilität des Projekts aufzuzeigen, haben wir in greenmatch ein fiktives Beispiel für das Mieterstrommodell, wie es in Deutschland zur Anwendung kommt, modelliert. Die Eckdaten des Projekts im Überblick:

  • Die installierte Leistung der Anlage beträgt 40 kWp
  • Es sind 24 Mieteinheiten mit einer durchschnittlichen, jährlichen Verbrauchsmenge von 2.500 kWh/a vorhanden, was einem Gesamtverbrauch von 60.000 kWh pro Jahr entspricht.
  • Der durch die PV-Anlage produzierte Strom wird durch die Mieter mit einer gewissen Quote direkt bezogen (Direktverbrauchsquote)
  • Übersteigt der Gesamtstrombedarf der Mieter den produzierten Strom, wird die Differenz aus dem Netz bezogen. Dieser Netzstrom ist zu marktüblichen Konditionen einzukaufen.
  • Produzierter Strom, welcher nicht durch die Mieter bezogen wird, wird in das Netz eingespeist und zum EEG-Tarif vergütet

Um den Einfluss der oben genannten Faktoren auf die Wirtschaftlichkeit abschätzen zu können, haben wir mehrere Szenarien mit unterschiedlichen Mitmach- und Direktverbrauchsquoten erfasst.

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Autor

harald will

Harald Will, Gründer Urbane Energie

Harald Will hat sich bereits seit 2010 als Geschäftsführer der von der Stadt München ins Leben gerufenen Solarinitiative den Photovoltaikausbau in Städten auf seine Fahnen geschrieben. Er berät heute Stadtwerke, Energieversorger und Immobiliengesellschaften bei der Einführung von Mieterstrom-Modellen. www.urbane-energie.eu

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Harald Will

Urbane Energie

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